Arthur Machens Cthulhu – das Rollenspiel

Was wäre wenn das Cthulhu-Rollenspiel  nicht auf den Werken HPLs, sondern auf denen Arthur Machens  beruhen würde? Der Einfluss Machens auf H. P. Lovecrafts Geschichten ist nicht zu verleugnen, auch dass die Protagonisten allesamt Londoner Gentlemen sind, dürfte dem old gent aus Providence gefallen haben.

HPLs Protagonisten rüsten sich durchaus mal mit Säure und Flammenwerfer aus, um ein Spukhaus zu erkunden. Ein alter Familiensitz wird mal in die Luft gesprengt, Polizei durchkämmt die Sümpfe nach Kultisten und ein Militär-U-Boot kommt vor der Küste Neu-Englands zum Einsatz. Dementsprechend ist auch das Rollenspiel von Chaosium recht actionlastig ausgelegt.

Und bei Machen? Seine feinen Herren gehen spazieren. Punkt.

Das war’s auch schon. Sich die Hände schmutzig machen? In eine heikle Situation eingreifen? Sich mit einer Waffe ausrüsten oder einfach nur die Polizei einschalten? Fehlanzeige! Nicht standesgemäß! Allein der Gedanke ist wohl so abwegig, dass er nicht geäußert werden darf.

Spazieren gehen, gepflegte Konversation betreiben, grübeln und den Hauch des Mysteriösen genießen, im Café sitzen, warten bis einem der Zufall die Puzzleteile zukommen lässt, allerhöchstens mal einen Gegenstand vom Boden aufheben, mehr kommt einfach nicht in Frage. Man ist ja Gentleman, nicht Menschenretter. So meint Hobby-Detektiv Dyson: „I do not regret our inability to save the wretched girl“ (The Shining Pyramid). Nach allem was sie durchgemacht hat, war es wohl einfach besser für sie, geopfert zu werden. Auch in „History of the Young Man with the Spectacles“ lässt Dyson, unser immer wiederkehrender Held, jede Gelegenheit verstreichen, um den armen titelgebenden jungen Mann seinem qualvollen Schicksal zu entreißen. Lieber setzt man sich hin und philosophiert man über die eigentümliche Spukhausatmosphäre verfallener Gebäude, als zuzugeben, dass man den merkwürdigen Geräuschen schleunigst auf den Grund gehen sollte. „Do you know,“ said Phillipps, „it seems absurd, but I could almost fancy that the smell is that of burning flesh.“ Shocking!

Spieler, die so handeln wie Machens Protagonisten würde ich sofort aus der Gruppe werfen, so ist kein Cthulhu-Rollenspiel im amerikanischen Stil zu betreiben. Aber Moment, was lernen wir von Machen, bevor wir ihn verteufeln, über den Plot? Charaktere, die sich am Plot entlanghangeln, werden vielleicht das Mysterium lüften können, aber sie werden daran scheitern, das Abenteuer zufriedenstellend zu lösen. Um ein richtiges Cthulhu-Abenteuer zu einem guten Ende zu bringen, muss man nicht mit, sondern gegen den Plot arbeiten. Das ist vielleicht eine Lektion, die man beim Abenteuerdesign beherzigen sollte.

Published in: on Oktober 20, 2011 at 9:48 am  Comments (5)  

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5 KommentareHinterlasse einen Kommentar

  1. Oha. Wenn das der vielzitierte Großteil der Cthulhu-Spieler aus Deutschland liest. Zu dem Thema dürfte auch Taysals Umbau von Berge des Wahnsinns für Realms of Cthulhu (http://rollenspiel.taysal.net/material/bdw-aida-coc-roc-oder-cthulhu-meets-the-pyro/) eine interessante Lektüre sein, auch wenn es einen leicht anderen Fokus hat. Von mir jedenfalls ein Daumen hoch.

    • Danke, Dein Beitrag gibt mir den Anstoß für den nächsten Artikel im Ghoultunnel. 😉

  2. Herbst ist Cthulhu Zeit, auch wenn ich im Frühjahr und Sommer immer wieder dem Spiel abschwöre. Seit Jahren aber trage ich mich mit dem Gedanken Back to the Roots zu spielen.
    So halt wie früher, als meine Spieler auch kurzerhand die Bösewichte mit einigen Stangen Dynamit ausgeschaltet haben.
    Das hat schon zu damaligen Zeiten mehr Spass gemacht als sinnlos durch die Gegend zu scouten, Bücher zu lesen etc.
    Vielleicht sollte ich mich doch mal daran machen das zu verwirklichen.

  3. […] Jerusalems Lot von Stephen King (gelesen von Joachim Kerzel) und dem Artikel aus dem Ghoultunnel Arthur Machens Cthulhu – das Rollenspiel. Gerade letzterer spiegelt ein wenig meine Einstellung wieder, Back to the […]

  4. Hat Machens evtl. deutsches Cthulhu beeinflußt? *hust*


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