Flucht von Valmorca

Durch eine Verlosung im Rollenspiel-Almanach bin ich an das kleine Softcoverbuch „Flucht von Valmorca“ gelangt und dieses Büchlein ist durchaus den Aufwand wert, dass ich darüber schreibe. Es beinhaltet sowohl ein Setting, Spielregeln, ein Solo-Abenteuer zur Einführung und eine Kampagne aus 28 Abenteuermodulen in äußerst löblichem Layout!

Die Settingbeschreibung befasst sich zunächst kurz mit fünf kulturell stark unterschiedlichen menschlichen Völkern. Auf langweilige Elfen, Zwerge, Orks wird hier verzichtet (im Gegensatz zum Destiny Dungeon RPG des gleichen Autors), was mich etwas an das Rollenspiel „Hyperborea – Meister des Stahls“ (orig. „Bloodlust“) mit seinen feindseligen, kriegerischen Völkern erinnert. Weiter geht es mit der Beschreibung der Gefangeneninsel Valmorca, der dort etablierten Banden und der wichtigsten Agitatoren. Auch hier erinnern mich die Verschlagenheit der NSCs, die Brutalität des Überlebenskampfes und die Andeutungen dunkler Magie durchaus positiv an die Stimmung von Hyperborea.

Die Spielercharaktere werden ebenfalls als Gefangene auf dieser Insel abgeladen und müssen sich ihren Platz vor Ort erkämpfen. Der Anfang ist über das enthaltene Soloabenteuer möglich, welches einem außerdem die Regeln näher bringt. Hier fällt schon auf, dass dieses Buch nicht einfach nur aufwendig und bunt, sondern intelligent gestaltet ist, denn eingängige Symbole im Text verdeutlichen dem Leser regeltechnisch Relevantes. Daumenkino-Würfelsymbole auf jeder Seite erleichtern auch das sofortige Soloabenteuerspiel ohne Zubehör.

Ich habe das Soloabenteuer nur einmal gespielt und darin versagt, das optimale Spielziel, die Aufnahme in eine Bande, zu erreichen. In einem Rollenspiel hätte ich den Charakter aber auf jeden Fall aus der Endsituation heraus weiterspielen wollen!

Auf die Aufnahme der Spielercharaktere in eine bestimmte Bande folgt die eigentliche Valmorca-Rollenspiel-Kampagne. Knapp zusammengefasst, aber mit allen relevanten Informationen und vielen anschaulichen Karten versehen werden 28 Abenteuer (Nr. 29 ist der Epilog) beschrieben. Sie sind modular miteinander verknüpft, d.h. die Auslösung von Einzelabenteuern und die genaue Reihenfolge hängen von Entscheidungen und Ergebnissen während des Spiels ab. Dies ist sehr sinnvoll, da man als Spielleiter gar nicht erst überlegen muss, wie man dem starren Konstrukt eines Plotautoren entkommen kann. Auch hier unterstützen klug designte Symbole das Auffinden von Schlüsselinformationen im Text. Sowohl der inhaltliche Aufbau, die Organisation von Information als auch die ansprechende Optik sind schlicht und einfach vorbildlich.

Ein kleines Manko: Gegen Ende der Kampagne konnte der Autor der Versuchung nicht widerstehen, einen gewissen plottragenden NSC in einem Abenteuer etwas forciert entkommen zu lassen, um die Schlüsselszene im folgenden Abenteuer zu ermöglichen. Dies tut dem ansonst exzellenten Aufbau der Kampagne jedoch keinen Abbruch, da die modulare Struktur dem Spielleiter jegliche Freiheit lässt. Ich bezweifle ja, dass mit meinen Spielern die Kampagne wie beschrieben ablaufen würde, denn die wichtigsten Plotträger wären wahrscheinlich in der Mitte der Kampagne bereits tot. Dennoch wären nicht alle Vorfälle in späteren Abenteuern ausgehebelt und ich hätte als Spielleiter weiterhin Nutzen durch das  Beschriebene. Schließlich ist das letztendliche Ziel einer jeden Valmorca-Kampagne nicht das bloße Überleben, sondern die Flucht in die Freiheit.

Auf die Kampagne folgen noch einige Seiten mit den Spielregeln. Das System ist W6-basiert, aber recht ausgeklügelt. Trotz der Knappheit der Seiten ist jedoch alles Relevante enthalten: Kampf inkl. Wurfwaffen, Rüstung, Bewegung, Tod, Moralregeln; aber auch Talente, Zaubersprüche, Erfahrungspunkte.

Mit Sicherheit werde ich die Valmorca-Kampagne irgendwann spielen, leicht abgeändert mit Hyperborea-Regeln, da ich persönlich nicht noch ein neues Regelwerk brauche. Das Setting hat mich aber begeistert, denn ohne plumpe Orks und Oger, allein durch Handlung und NSCs sorgt der Autor Herausforderungen und düstere Stimmung. Ich bin gespannt, was Ace of Dice noch so an Abenteuern herausbringt, die ich verwerten kann. In einem Interview mit dem Herzlichen Rollenspiel nannte er den Wunsch,  seine Destiny-Reihe möglichst professionell am deutschen Rollenspielmarkt zu platzieren. Ein hehres Ziel, aber Erfolg wünschen kann man ihm, denn er macht wirklich gute Arbeit!

Published in: on Juni 10, 2012 at 12:36 pm  Comments (3)  

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3 KommentareHinterlasse einen Kommentar

  1. Das nenn ich mal eine Lobeshymne. Aber im Punkt langweilige Zwerge und Elfen bei Destiny Dungeon muss ich widersprechen, denn ich finde, die haben ein paar nette Twists um da ausreichend Abwechslung rein zu bringen. Und wie will man auch OSR auf ein Regelwerk schreiben können ohne Elfen und Zwerge rein zu tun?

  2. Das Lob ist ja auch angebracht. Ich kann ja nicht immer nur lästern.

    Mit Destiny Dungeon habe ich mich nicht näher befasst. „Langweilig“ bezieht sich auf tolkieneske Settings allgemein. Wobei ich ja auch in solchen Settings spiele… 😉

  3. Klingt in der Tat hervorragend. Von den anderen Destiny-Produkten war ich bisher auch sehr angetan, wenn ich DD komplett durch habe, werde ich wohl auch hier zugreifen.


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