Gloomhaven-Marathon mit Forgotten Circles

In vier Monaten intensiven Spiels haben Frau Ghoul und ich den Koloss unter den Dungeon-Crawler-Spielen, den „ewigen“ Champion auf Platz 1 der Boardgamegeek-Liste, Gloomhaven, mitsamt seiner Erweiterung Forgotten Circles, erfolgreich bewältigt.

Mit wechselnden Charakteren gilt es, Dungeons zu erkunden und der Stadt Gloomhaven zu Wohlstand zu verhelfen. Dabei haben Entscheidungen und Questenerfolge einen Einfluss auf die Spielkampagne: neue Karten gelangen in Begegnungsstapel für Stadt und Land, neue Charakterklassen werden verfügbar, neue Gegenstände gelangen auf den Markt. Vor allem aber nimmt die Handlung unterschiedliche Pfade und schaltet entsprechende Dungeons frei.

Die Spielmechanik ist komplexer als bspw. die der alten Descent-Grundbox, da man aus einem je nach Klasse unterschiedlichem Deck aus Aktionskarten „untere“ und „obere“ Aktionen für einen Spielzug kombinieren muss. Auch bewegen sich die Monster nach einer automatischen Logik, da es keinen Monsterspieler gibt. Man braucht einige Missionen, um die Regeln richtig zu begreifen und korrekt auszuführen, doch dann hat man ein sehr gutes Spiel erlernt.

Dennoch, Platz 1 auf BGG? Das finde ich übertrieben, es gibt zu vieles, was mich an Gloomhaven geärgert hat. Zum einen ist da die Unmenge an Spielmaterial. Ähnlich dem Regeln lernen muss man sich eine gute Sortierung überlegen (z.B. mit sehr vielen verschließbaren Plastikbeuteln), um den Spielaufbau in angemessener Zeit durchführen zu können und auf der Suche nach bestimmten Geländemarkern und Monsteraktionsdecks nicht zu verzweifeln. Die Missionen der Basisbox sind (zu zweit) in etwa einer Stunde spielbar. Es wäre schade, wenn man dafür länger als 15 min aufgebaut hätte. Ein Hobbyraum mit dezidiertem Spieltisch, der längere Zeit belegt bleiben darf, ist für dieses Spiel eigentlich unerlässlich. Es wäre durchaus möglich gewesen, wie bei Descent (1. Edition) nur eine Sorte Marker pro spieltechnischem Geländetyp zu verwenden (z.B. eine Sorte „Rubble“), statt innerhalb eines Typs unterschiedlichste Designs wie Felssäule, Baumstumpf, Tisch, Geröll usw. usf. für den Typ „Hindernis“. Aber Zurückhaltung ist wohl bei einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne ausgeschlossen.

Zum anderen ist dieses Spiel überwiegend kooperativ, aber eben nicht ganz. Jeder Charakter zieht eine persönliche Queste (eigentlich: eine von zweien wählt man aus), die einem erlaubt in den Ruhestand zu gehen und neue Spielinhalte freizuschalten, sowie für jede Mission eine Zielbedingung (wieder eine von zweien zum Auswählen), das einem wertvolle Erfahrungshäkchen liefert. Diese Questen und Ziele sind jedoch geheim! Dies bringt die Spieler miteinander in Konflikt. Entweder man lernt es, halbwegs harmonisch mit diesen Geheimzielen und dem unberechenbaren Verhalten der Mitspieler umzugehen, oder zwischenmenschliche Reibereien sind vorprogrammiert.

Am meisten geärgert hat mich aber das Legacy-Prinzip, welches wie eine Seuche die Spielelandschaft durchzieht. Es ist einfach dummes Design, ein aufwändiges Spiel zum einmaligen Gebrauch und Wegschmeißen zu gestalten. Schon mal was von Nachhaltigkeit gehört? Man soll bei Gloomhaven hierhin und dorthin Aufkleber pappen und Kreuzchen malen, Karten verbessern und einen Spielplan zur Visualisierung der fortschreitenden Spielweltveränderung umgestalten. Da meine Zusatzbestellung für wiederabziehbare Gloomhaven-Aufkleber 5 Monate nicht ausgeführt werden konnte (am Montag sind sie dann wohl endlich in meinem Briefkasten), habe ich nur die Verbesserungsaufkleber für die Aktionskarten benutzt (die sind jetzt permanent, auch für die nächste Kampagne in X Jahren) und über den Rest auf Papier Buch geführt – das geht nämlich sehr wohl und für die Landkarte ohne spieltechnischer Funktion (!) ist ja sowieso gar kein Platz auf dem mit Monstern, Markern und Bodenplatten überfüllten Tisch.

Obwohl ich mich also geärgert habe, hatte ich dennoch viele Stunden Spaß, der Suchtfaktor dieses Spiels ist hoch, und man kann durchaus in ein psychisches Loch fallen, wenn die letzte offene Mission abgeschlossen ist und man merkt, dass man plötzlich am Ende der Kampagne angekommen ist, die nicht zwangsläufig mit einem Plot-Höhepunkt zusammenfallen muss. 7 von 10 Punkten gebe ich Gloomhaven.

Forgotten Circles

Zum Glück gibt es eine Erweiterung und der Spaß geht weiter! Leider geht damit auch das Ärgernis weiter.

Ein Spieler muss die neue Charakterklasse „Prophetin“ spielen, welche die Hauptfigur der Erweiterung stellt. Die Prophetin wirkt erstmal nicht so mächtig, aber das täuscht, denn sie wird auf hohen Stufen richtig effizient und ihre Teleportationsfähigkeiten werden gebraucht.

Das Hauptärgernis ist aber: Hat man sich bei der Basisbox schon über den Aufbauaufwand geärgert, sollte man seinen Blutdruck jetzt richtig gut unter Kontrolle halten: Das Questenbuch ist wie ein Abenteuerbuch aufgebaut, soll wohl originell sein, bedeutet aber, dass man inmitten der Mission ständig im Buch vor- und zurückblättert, neues Spielmaterial suchen muss, vorige Textpassagen zum Nachlesen wieder finden muss, Geheimschriften kopieren muss usw. Der Spielfluss wird unerbrochen, der Spielspaß leidet massiv. Das, liebe Leser, wäre nicht so schlimm, wenn ich nun sagen könnte, lasst einfach die Finger von dieser Box. Aber nein! Die Missionen sind so originell und herausfordernd, dass der Gloomhaven-Fan auf diese Box unter keinen Umständen verzichten kann; diese Fortsetzungskampagne stellt einen neuen Höhepunkt der Kampagne dar!

Unverzichtbar gut, unverschämterweise gleichzeitig ein ständiges Ärgernis, daher gestehe ich Forgotten Circles nur 5 von 10 Punkten zu.

Published in: on Januar 25, 2020 at 11:19 am  Comments (1)  
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  1. Klingt spannend Hr. Ghoul. Da ich aber weder über den passenden Hobbyraum noch die Mitspieler verfüge, wird mir das Spiel bis auf weiteres verschlossen bleiben. Freut mich aber das es euch gefallen hat.


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