Wight Power

Das LotFP-Szenario (ich sage diesmal bewusst nicht Modul) Wight Power von Alex Mayo (bekannt als Co-Autor und Illustrator für Harlem Unbound) spielt auf der namensgebenden Insel Wight, wo seltsame bewusstseinsverändernde Kräfte von einer Klosterruine ausgehen. Mönche und Landsknechte haben einen Bereich der Krypta abgesperrt – graben sie, bauen sie etwas? Jedenfalls brauchen sie die Hilfe der Spieler-Personnagen, denn die beiden Gruppierungen sind argwöhnisch und verdächtigen sich gegenseitig des Mordes. Nicht eine, zwei unabhängige Katastrophen bahnen sich an, wenn die Spieler nicht eingreifen! [Spoiler-Warnung ab hier!]

Wie gut ist Wight Power nach AD&D-Kriterien (dem höchsten Standard für jedes OSR-Produkt)? Es verwundert vor dem Hintergrund des Autors nicht, dass dieses Abenteuer strukturell eher einem Cthulhu-Szenario ähnelt (Geheimnis, Erforschung, Finale) als einem AD&D-Modul (offene Erkundung). Auch die unterirdischen Räumlichkeiten kann man nicht als Dungeon im strengen AD&D-Sinn bezeichnen. Der eine Bereich ist im Grunde ein Raum voller Untoter, mit Nischen ohne relevanten Inhalt. Der andere Bereich ist, was relevante Räume betrifft, beinahe linear. Aber zur Ehrenrettung: Der Cthulhu-Mayo hat sich Mühe gegeben, auf die Bedürfnisse von AD&D-Spielern einzugehen und Schätze zu platzieren! Das ist nicht in allen LotFP-Modulen der Fall, darum muss man es loben. Die Schätze sind zwar leicht zu finden, allerdings ist es unrechtmäßig, sie zu bergen, und wird die Mönchsfraktion zu Feinden machen. Es gibt zwei Fraktionen, die man womöglich gegeneinander ausspielen kann, es gibt mehr Gegner als einem auf niedrigen Stufen lieb sein kann, das ist gut. Allerdings gibt es auch einen Gegner, einen ganz speziellen Wight, der nicht nur sehr schwer zu entdecken, sondern auch fast unmöglich zu bekämpfen ist. Mit ihm kann man die Spieler piesacken und frustrieren. Das hätte nicht in diesem Extrem sein müssen.

Und wie gut ist Wight Power nach LotFP-Kriterien (um fair zu bleiben)? Es ist zwar kein Raggi-Dungeon, aber es hält eine doppelte Katastrophe bereit (eine einfache Eskalation erwarten LotFP-Spieler schließlich). Weirdness ist auch ordentlich dabei, wirkt allerdings aufgesetzt, um mit anderen LotFP-Modulen mitzuhalten: modern anmutende Laborausstattung, biomechanische Maschinen … es überzeugt leider nicht so ganz. Das wunderbar starke Thema der Heiligen Vorhaut finde ich nicht ausgereizt, man hat nur indirekt mit dieser Reliquie aller Reliquien zu tun, die NSCs haben sich in der Vorgeschichte bereits um alles gekümmert. Schade. An den Wahnsinn und die Originalität der besseren Module wie Big Puppet oder Strict Time Records Must Be Kept gereicht Wight Power bei weitem nicht heran.

Weitere, wenn auch kleine Mängel: In der Beschreibung wiederholen sich viele Informationen, bei den Räumlichkeiten hapert es. Wie viele Treppen führen nun hinab in die Krypta? Der Text erwähnt Treppen an zwei Stellen, die Karte zeigt nur eine Treppe. Warum soll nur eine der beiden Treppen eine verschlossene Tür haben? Verriegelt von Innen oder Außen? Wo sind auf der Karte Türen? Man erkennt leider keine einzige verschlossene Tür, man erahnt ihre Platzierung nur aus der Beschreibung. Auch sind es übertrieben viele Hindernisse (Stahltür, Schlösser, Wachen). Die Anzahl der Landsknechte und Mönche, jeweils ein Dutzend, haut auch nicht hin, wenn rund um die Uhr so viele in der Landschaft unterwegs, bzw. in der Krypta beschäftigt sind. Alles nicht schlimm, aber nervig für die Spielleitung.

Ist der Titel des Abenteuers ein provokativer Witz auf Kosten übereifriger Politischkorrekter oder eine Verballhornung zur Lächerlichmachung von Rechtsradikalen? Das entscheide jeder für sich. Alex Mayo stellt zumindest im Nachwort klar: „Fuck Nazis!“

Fazit: 2 von 5 authentifizierten Vorhäuten Jesu. Mit etwas eigener Überarbeitung lassen sich aus der Idee 3, bei einem guten Dungeon vielleicht auch 4 herausholen.

Published in: on September 24, 2022 at 10:31 am  Kommentar verfassen  
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