Ghoul empfiehlt: Yoon-Suin

Yoon-Suin the Purple Land, ein Fantasy-Setting von David McGrogan

Von den stinkenden Fluten des Götterflussdeltas träge umspült, erhebt sich die Gelbe Stadt mit ihren prunkvollen Pagoden und verqualmten Tempeln. Träge räkeln sich die Besucher der Opiumhöhlen, bis zur Heißerkeit streiten sich die Gelehrten in ihren Gildenhäusern und angeregt schlürfen Angehörige aller Kasten die exquisiten Gebräue in den Teestuben der Stadt. Die Sänftenträger der Schneckenmenschen trampeln über verkrüppelte Bettler und Verrückte hinweg. Versklavte Krebsmenschen schleppen Steine für den Bau neuer Paläste, während ein Dutzend alter Stadtteile unter dem Gewucher des Láhág-Dschungels dahinbröselt. Flussaufwärts: Die Hausboote der Flussleute transportieren Opium und Tee, Opale, Jade und Smaragde durch den mangrovenartigen Flusswald Lamarakh zur Gelben Stadt, um diese bei den Kartellen der Schneckenmenschen gegen Perlen und Waren von jenseits des Muränengolfs zu tauschen.

Westlich des Láhág, südlich des Lamarakh: Die Hundert Königreiche fechten ihre alten Fehden untereinander aus und pflegen seltsame und grausame Riten, die ihrer jeweiligen Kultur eigen sind.

Im Norden: Die Opiumtäler der Oligarchen und das ferne Hochland Sughd, in dem, die ungewöhnlichsten Teesorten gedeihen, erstrecken sich in den Ausläufern der Berge des Mondes, deren Wurzeln von den Zitadellen vergangener Zwergenkulturen durchlöchert sind und deren Gipfel den Menschen nicht genug Luft zum Atmen bieten.

Das purpurne Land Yoon-Suin bietet dem abenteuerlustigen Reisenden ebensoviel erstaunliches wie entsetzliches, doch eine Gefühlsregung beherrscht die Atmosphäre dieses alten, alten Landes wie keine andere: Wehmut. Der dekadente aber zu Tode gelangweilte Schneckenmensch, der Flusshändler, der eine Bootsladung funkelnder Rubine zur Gelben Stadt befördert, nur um hinterher wieder auf seinem Boot den ewig-feuchten Lamarakh-Wald flussaufzuschippern, der unter der Last seines Fluches durch den Láhág-Dschungel hetzende Dämon, keiner entrinnt je der Wehmut des Purpurnen Landes.

Inspirativ und nutzbar zugleich

Nach einigen einführenden Kapiteln, u.a. dem Stimmung setzenden Tagebuch des Laxmi Gutra Dahl, Charakterbauregeln für Krebs- und Schneckenmenschen und einem Bestiarium indisch inspirierter Dämonen und fantastischer Kreaturen, zeigt sich erst, wie genial David McGrogan sein Setting praktisch zugänglich zu präsentieren weiß.

Die folgenden vier Kapitel (Die Gelbe Stadt und die Topasinseln, Die Hundert Königreiche und Láhág, Lamarakh und der Untere Druk Yul, Die Berge des Mondes und Sughd) sind jeweils einem der Subsettings gewidmet und bestehen aus Tabellen zur Durchführung der Kampagne. Dabei wird erst das soziale Umfeld der Spielercharaktere ermittelt sowie momentane Konflikte und bedeutsame NSCs. Bei Bedarf können im Lauf der Kampagne beliebig viele weitere soziale Gruppen, NSCs und Ereignisse zufallsgeneriert werden. Für die Erforschung der Umgebung stehen vorbereitete Hexfeld-Einträge sowie zahlreiche Begegnungstabellen bereit.

Die Kampagne oder besser Kampagnen in Yoon-Suin sind also generisch, durch die Vielfältigkeit der inspirierenden Einträge wird ein Gefühl der Beliebigkeit aber vermieden. Zu keinem Zeitpunkt hat man das Gefühl, durch belanglose Tabellen voller Hartwurstigkeiten zu blättern. Was man sowieso als Spielleiter selber bereitstellt oder durch Regelwerke zur Verfügung hat, stiehlt einem in diesem Setting-Buch nicht den Platz. Wo man durch seltsame Tabelleneinträge als Spielleiter ins Schwimmen kommen könnte, folgt stets eine Erklärung oder eine Untertabelle zur Erläuterung.

Beispiel einer Kampagne in den Hundert Königreichen

Ich würfle mir probeweise ein Königreich aus: Eine (3) Plutokratie (9) paranoider Händler, die unter dem (5) Mottenbanner über eine (1) monotheistische Bevölkerung voller imaginärer oder tatsächlicher Verschwörer herrscht. Die Mottenstadt ist bekannt für ihre (15) große Schmiede, in der sich zahllose Sklaven zu Tode schuften, und ist zur Zeit (19) Opfer eines Söldneraufstands. Aha, dann geht es den Söldnern wohl gar nicht um Geld, sondern um Gewalt über die berühmte Waffenschmiede, in der aus hochwertiges Eisen erzeugt und zu überragenden, in Sklavenblut gehärteten Waffen und Rüstungen verarbeitet wird. Dies wäre wohl die Basis für einen zukünftigenEroberungskrieg der ehemaligen Söldner, die von den paranoiden Plutarchen ursprünglich ins Land geholt worden waren, um sie vor der eigenen Bevölkerung zu schützen. Übrigens gibt es noch (12) einen mystischen Brunnen in der Stadt, sagen wir im Palast, in dem sich die Plutarchen vor den Söldnern verschanzen.

Weiter mit dem Gesellschaftsumfeld der Spielercharaktere: Eine (7) Opiumhöhle, in welcher (4, laut Anhang B – Opium) zerriebenes gelbes Opium mit belebendem Effekt geschnupft wird. Aktueller Konflikt: (8) Wahnsinn. Mehrere Kunden (aufständische Söldner?) sind in jüngster Zeit Amok gelaufen, obwohl dies nicht zu den üblichen Effekten des stimulierenden gelben Opiums gehört. Bedeutende NSCs: (10) Chef der Wache unserer Opiumhöhle sowie (1) ein süchtiger Stammkunde, (10) von dem es heißt, er könne aus dem zerstampften Opium die Zukunft lesen.

Außerdem wird in der Kampagne ein (8) Schläger namens (1) Krishna in (16) zerschlissener Kleidung vornehmster Machart wichtig, der mit einer (18) Hypnotiseurin namens (19) Simra (23) rivalisiert, vielleicht um den Besitz der Opiumhöhle? Weiterhin: Ein (11) Rattenfänger (15) erpresst einen (2) Söldner – natürlich den Führer des Söldneraufstandes. Besteht hier ein Zusammenhang mit dem Wahnsinn der opiumkonsumierenden Söldner? Kam hier vielleicht ein Rattengift zum Einsatz?

Damit nicht genug, ein Gerücht besagt, dass (2) ein neues Opium in der Gegend populär wird, allerdings belebt es nicht, wie unser gelbes Oium, sondern macht die Konsumenten schlapp und antriebslos. Versuchen die Plutarchen die Söldner zu betäuben oder drängt hier ein Konkurrent auf den Opiummarkt?

Auf die Tabellen und Hexfeldeinträge zur Umgebung gehe ich hier aus Platzgründen nicht ein. Die beim Schreiben zufällig generierte Kampagne verspricht jedenfalls interessant zu werden.

System

Yoon-Suin ist mit jedem Rollenspielsystem spielbar, da sich der Autor soweit wie möglich auf Informationen beschränkt hat, die über Grundregeln hinausgehen. Es finden sich wenige Verweise auf Monster und Zaubersprüche aus dem D&D-Universum wieder, sowie kurze Stats, die mit älteren D&D-Versionen kompatibel sind. Darüber wird der artfremde Leser mit Leichtigkeit hinwegsehen können.

Umgebungskarten in Spieler und Spielleiterfassung

Im Anhang gibt es zu jedem Subsetting eine Umgebungskarte, stimmungsvoll aber krakelig und umpräzise, wie sie ein Gelehrter des Landes anfertigen würde. Für den Spielleiter befindet sich daneben eine klassische Hexfeldkarte. Ein wunderbares Konzept! Leider ist die Bildqualität der Karten in der Druckversion nicht sonderlich gut. Vielleicht sieht man sie im pdf besser. Möglicherweise kann man den Autor auch überzeugen, seine Hexographer-Dateien zur Verfügung zu stellen.

Immerhin verspricht McGrogan den Käufern beider Ausgaben (Print und pdf) als Bonus sein Yoon-Suin-Abenteuer The Halls of the Shimmering Stars in the Deep Blue Firmament. Besser man stellt es sich so herum vor: Man kauft das Abenteuer und bekommt das pdf als Bonus. Klingt schon viel sympathischer.

Fazit

David McGrogans Yoon-Suin fasziniert durch seine kreative indisch-chinesisch-tibetanische Fantasy, welche seltsam genug ist um sich deutlich von den bodenständigeren deutschen Settings abzuheben. Gleichzeitig ist es nicht so verrückt wie viele „Weird-Fantasy“-Produkte von LotFP, bei denen man ernsthaft zögert, diese auf seine Spieler loszulassen, oder so wirr wie die Settings von Zak Smith (übrigens auch ein Bewunderer Yoon-Suins), dass sie für den Nicht-Zak-Spielleiter schwer zugänglich sind. Deutsche wie amerikanische Rollenspielautoren sollten sich unbedingt von McGrogan abschauen, wie man Informationen nutzbar aufbereitet! Was hätte beispielsweise Carcosa für ein Hammer werden können, wäre es so systematisch und variabel wie Yoon-Suin dahergekommen.

Der Ghoul empfiehlt allen Leserinnen und Lesern dieser Rezension ausdrücklich den Kauf von Yoon-Suin als Print-on-demand oder als pdf.

David McGrogan arbeitet derweil an seinem nächsten Projekt, einer Art elizabethanischem Setting mit Ebenenreisen.

Published in: on April 8, 2015 at 4:01 pm  Comments (5)  
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5 KommentareHinterlasse einen Kommentar

  1. Cool. Das wollte ich mir auch kaufen und spielen, aber jetzt, wo Du es hast, winkt da vielleicht eine neue Kampagne…?? 🙂
    Ich sehe dann mal vom Kauf ab? Mir gefiel die Idee mit den Riesenkakerlaken-Schäfern sehr gut.

  2. das war übrigens ich. Gar nicht anonym.

  3. Doch, kauf es Dir! Jeder braucht Yoon-Suin. Es gibt schließlich vier Subsettings, noch dazu ist Yoon-Suin ja jedes mal anders, wenn man eine neue Kampagne generiert.

  4. Klingt soweit interessant das ich durchaus mal für einen Abend mal wieder Labyrinth Lord auspacken sollte.

    Bin ja gerade dabei A Red und Pleasant Land von Zak zu lesen und zu überlegen ob und wie es sich mit LL oder BoL bespielen lässt.

  5. Klingt gut. Die Rezensionen fallen auch druchwegs gut aus,
    Muss mir das Setting mal noch näher anschauen. Bislang bin ich skeptisch ob das eine Chance hat bei mir am Spieltisch zu landen.

    Zuerst werde ich mir mal Slumbering Ursine Dunes anschauen.


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